Zerrissene Pläne und das gescheiterte Projekt am Rhein:
Warum ein Bauplatz gegenüber Nonnenwerth nicht in Frage kam

von Hans-Dieter Arntz
(Aus: Aachener Volkszeitung, 13. Juni 1986)
23.01.2007

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Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 2)

 

Die Pläne für das künftige „Reichsschulungslager" stammten von Prof. Clemens Klotz und wurden von dem Kölner Architekten und Baumeister Karl-Heinz Liebermann verwirklicht. Voller Dankbarkeit ernannte der Bürgermeister von Gemünd letzteren am 20. November 1936 zum „ehrenamtlichen Stadtbaurat". Ausdrücklich betonten die Repräsentanten von Gemünd: „Die Ernennung erfolgt auf Grund Ihres bisher gezeigten großen Interesses für die bauliche Entwicklung unserer Stadt und nicht zuletzt in Anerkennung Ihrer großen Verdienste bei der Errichtung der Ordensburg Vogelsang, deren Schaffung neben den hohen weltanschaulichen Werten auch wirtschaftlich weittragendste Bedeutung für unsere Heimat hat..."

Am 8. März 1934 erfuhr es auch der letzte Zeitungsleser, dass das große „Schulungslager" der NSDAP in die Eifel kommen sollte. Immerhin waren lange Zeit Schwarzwald und Harz, aber auch die Gebirge in Schlesien im Gespräch gewesen. Schon 1933 hatte es im Gemünder Stadtrat positive Zusagen gegeben, und Kreisleiter Binz wusste Reichsorganisationsleiter Robert Ley in vielen Diskussionen auf die Standortpräferenz aufmerksam zu machen.

Der vor wenigen Jahren verstorbene Journalist Hubert Meyer publizierte als erster den Gemünder Stadtratsbeschluss im Euskirchener „Volksblatt". Danach war er den Schikanen der NSDAP ausgesetzt, weil deren Parteiorgan, der „Westdeutsche Beobachter", den „Knüller" nicht noch schneller veröffentlichen konnte. Wenn auch Architekt Klotz bereits die Grundkonzeption für das Schulungslager entworfen hatte, so war die Gesamtplanung zur Zeit des ersten Spatenstiches noch nicht fertig. Fast zu eilig hatte der Reichsorganisationsleiter inzwischen ein Besitztum von etwa 110 Hektar im Werte von etwa 145000 Reichsmark von Bauern aus der Umgebung von Morsbach, Wollseifen und Dreiborn erworben bzw. bis zum Jahre 1938 hinzugekauft. Doch die Parzelle „Im Vogelsang", südöstlich von der späteren Burg gelegen, erwies sich als zu klein.

Das Bauvorhaben wurde auf den topographisch günstigeren Berg-Tücken westlich des Morsbaches verlegt, der sich in einer Länge von 2,5 Kilometer aus der Dreiborner Hochfläche heraus mit relativ geringen Niveau-Unterschieden (etwa 500 Meter am Walberhof bis 409 Meter am späteren Adlerhof) zum Urftsee hin erstreckte. Dennoch hielt man die Bezeichnung „Vogelsang" für die spätere Burganlage bei. Der Name sollte zudem historische Reminiszenzen ermöglichen. Schließlich hieß auch die sich gegenüber der Stadt Thorn befindende Burg des Deutschen Ordens im Mittelalter "Vogelsank".

Der von Clemens Klotz beauftragte Baumeister, Architekt Karl-Friedrich Liebermann, der heute 93jährig in Köln lebt, weiß von lebhaften Diskussionen mit Klotz und Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer zu berichten, die meist mit dem Zerreißen gerade angefertigter Zeichnungen endeten. Hinzu kam, dass die Finanzierung — nach heutigen Maßstäben — ausgesprochen abenteuerlich war.

Professor Klotz verwirklichte im Dritten Reich viele überdimensionierte Parteiprojekte. In einem Rundfunkinterview am 29. Mai 1965 erinnerte er daran, dass die eigentliche Ordensburg nicht in der Eifel, sondern am Rhein, gegenüber der Insel Nonnenwerth, gebaut werden sollte. Die gewaltigen Anlagen sollten weit in den Strom hineinragen. Klotz konnte jedoch Robert Ley mit dem Hinweis auf die Aufwendigkeit des Unterfangens von seinem Vorhaben abbringen.


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Architekt K. F. Liebermann, der nach den Plänen von Prof. Clemens Kloetz Burg Vogelsang erbaute.

 

Hauptgrund war jedoch angeblich, dass der Architekt zu dem Nonnenkloster eine persönliche Beziehung hatte: „Ich hatte es nämlich seinerzeit im Auftrage des späteren Kardinals Frings umgebaut und wollte nun den Schwestern die Nachbarschaft mit einer nationalsozialistischen Schulungsstätte ersparen." Der erste Spatenstich erfolgte am 15. März 1934. Mit den Bauarbeiten begann man am 20. Juni. Da bereits am 1. Mai 1936 die ersten „Junker" in die Burg eingezogen waren, kann man sich vorstellen, in welchem Tempo die Gebäude hochgezogen wurden. Am Samstag, 22. September 1934, fand um 15 Uhr die „feierliche Einmauerung der Grundsteinurkunde" in den Turm der „Schulungsburg Vogelsang" statt. Häufig änderte sich die Bezeichnung für das „Reichschulungslager", bis man sich 1936 auf den Begriff „Ordensburg Vogelsang" einigte. Die Eife-ler Bevölkerung jedoch sprach von Anfang an von der „Burg" und tut es eigentlich auch noch heute. Die Worte, die bei der feierlichen Grundsteinlegung gesprochen wurden, entsprachen der Diktion der damaligen Zeit. Robert Ley verkündete: „Hier sollen Führer für das Volk erzogen werden, keine Theologen, aber Führer, Prediger und Werber, fanatische Menschen, die von dem Glauben an Deutschland beseelt sind, die glauben an das Volk, an die Deutsche Nation, an unser Vaterland und an unseren Führer. Hier soll die neue Idee Deutschlands gezüchtet werden."

Wissenschaftliche Studien ergaben, dass Adolf Hitler an den drei Ordensburgen eigentlich gar nicht interessiert war. Er „benutzte" sie eigentlich nur, um beim Kreisbzw. Gauleitertagungen Grundsatzreferate vor einem großen Publikum zu halten. Außerdem bevorzugte er bei der Schulungsanlagen vor 50 Jahren — am 24. April 1936 — die Ordensburg Crössinsee in Pommern und vernachlässigte somit die bedeutendere Burg Vogelsang. Nur am 20. November 1936 und am 29. April 1937 kam er in die Eifel, um sie aber schon nach wenigen Stunden wieder zu verlassen.

Historisch interessant ist heute der Hinweis des Reichsorganisationsleiters Ley, dass die Urkunde, die am 22. September in das Fundament des etwa 50 Meter hohen Bergfrieds eingemauert wurde, nie gefunden werden sollte, damit „diese Burg ewig bleibe, wie unser herrliches, deutsches Volk." Nach systematischer Suche im Jahre 1948 fanden die Englander den Grundstein. Die Urkunde wurde aus der Kupferrolle herausgeholt und dem „British Museum" in London überlassen. Der Stein selber verblieb in der Eifeler Burg und kann dort heute im Museum besichtigt werden. In einem Schreiben vom 20. Februar 1986 teilten das „British Museum" und die „British Library" in London mit, dass das Dokument nicht mehr aufzufinden sei.

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