450 Jahre Evangelische Gemeinde in Flamersheim

von Hans-Dieter Arntz
(unter Berücksichtigung eines Beitrags von Isolde Tschirch)
24.05.2011

Flamersheim 01Die evangelische Gemeinde Flamersheim (heute ein Stadtteil von Euskirchen) hat allen Grund, stolz auf ihre Historie zurückzublicken. In den nächsten Tagen feiert sie ihr 450-jähriges Jubiläum (1561-2011), und ein Rückblick beweist, dass „seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ununterbrochen protestantischer Gottesdienst abgehalten werden konnte, wenn auch an wechselnden Plätzen und häufig genug in der Bedrängnis stürmischer Zeiten.“ Mit einem farbenfrohen Foto lädt der Monatsbrief der evangelischen Gemeinde Flamersheim alle Gemeindemitglieder sowie die gesamte Dorfbevölkerung zu den Feierlichkeiten und mehreren Veranstaltungen ein.

Flamersheim sowie die evangelische Kirche Flamersheim und deren Gemeinde werden
auf der Website der Kreisstadt Euskirchen folgendermaßen dargestellt:

Wirklich leicht hatten es die Protestanten in Flamersheim früher eigentlich nie. Immer wieder wurden sie unterdrückt und bedrängt. Dies führte jedoch auch zu sehr amüsanten Anekdoten, die man sich in Flamersheim zu berichten weiß. Beispielsweise wurde das Tanzen und Trinken der Katholiken in den Augen der Protestanten als ausschweifend und hedonistisch angesehen; im Gegenzug beschwerte sich 1695 der katholische Pfarrer, dass die Reformierten an katholischen Festtagen arbeiteten und Wäsche wuschen oder ihren katholischen Dienstboten an Fasttagen Fleisch vorsetzten.

Flamersheim und Großbüllesheim, die zwischen 1672 bis 1717 eine gemeinsame Pfarrei bildeten, verdankten ihrer Entstehung der schon früh zum reformierten Bekenntnis übergetretenen Familie von Quadt zu Landskron. Lutter Quadt war um die Mitte des 16. Jh. protestantisch geworden - sein Sohn Bernard, Erbherr zu Flamersheim, gründete schließlich die evangelische Gemeinde.

Bis ins 18. Jh. hatte die Evangelische Gemeinde lediglich über einen Betsaal verfügt, Gottesdienste mussten jedoch wegen zuvor genannter Probleme häufig ausfallen, da Politik und Andersgläubige ihnen das Leben schwer machten. Sogar der geplante Kirchenbau sollte beinahe scheitern, als durch das Eingreifen des Vogtes Pang von Tomberg im Namen der pfälzischen Regierung der Bau verboten werden sollte und die Werkzeuge der Maurer beschlagnahmt wurden.


Trotzdem hat eine der ältesten evangelischen Gemeinden im Kirchenkreis Bad Godesberg bis heute überlebt. So feierten die Flamersheimer im Jahr 2000 das 225-jährige Bestehen ihrer Kirche.


Im Jahr 1759 wurde durch den Burgherren, den langjährigen Pfarrer und mit Hilfe holländischer Gemeinden mit einem Kirchenbau begonnen. Der schlichte Saalbau wurde um 1775 zunächst ohne Turm fertig gestellt. Erst um das Jahr 1879 erhielt die Kirche einen viergeschossigen vorgelagerten Turm, der sich mit seinem Bruchsteinmauerwerk und in seiner zurückgenommenen, historisierenden Form dem Saalbau anfügt.

Vor Jahrzehnten zeichnete Gabriel Flink das harmonische Dorfzentrum, das indirekt die friedliche Nachbarschaft zwischen der evangelischen, katholischen und jüdischen Gemeinschaft ausdrücken sollte.

 

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Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Gemeinde Flamersheim wurde u.a. auch von der Ev. Kirche im Rheinland und vor einigen Tagen in der Euskirchener Tagespresse skizziert. Besonders ausführlich war jedoch die Selbstdarstellung aus dem Jahre 1984 – kurz vor dem 425-jährigen Bestehen. Sie wurde in dem Buch Wir in Flamersheim, das seinerzeit zur „Wiedersehensfeier“ mit einst in Flamersheim beheimateten Juden verfasst worden war. Zum Erfolg dieser viertägigen Begegnung hatte die evangelische Gemeinde von Flamersheim wesentlich beigetragen. Hierzu gibt es auf der vorliegenden regionalhistorische Homepage Beispiele.

 

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Isolde Tschirch verfasste für das o.a. Buch „Wir in Flamersheim“ (S.46-56) folgenden Artikel, an dessen Inhalt sich historisch nur wenig geändert haben dürfte:

 

Die evangelische Gemeinde Flamersheim

Von Isolde Tschirch (1984)

In Kürze wird sich unsere Gemeinde eines besonderen Jubiläums, des 425. Bestehens erinnern können - oder anders gesagt: wird sich dank­bar erinnern, dass seit den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts unun­terbrochen protestantischer Gottes­dienst abgehalten werden konnte, wenn auch an wechselnden Plätzen und häufig genug in der Bedrängnis stürmischer Zeiten.

Ein besonderes Verdienst hatten sich in den beiden Anfangsjahrhunderten die Flamersheimer Burgherren von Quadt und später ihre Erben erwor­ben. Sie waren als Unterherren der Herzöge von Jülich, die selbst der reformierten Lehre jahrzehntelang angehörten, einflussreich - von der Tomburg bis Oberwinter, von Miel über Büllesheim bis Flamersheim. Durch ihre Vögte übten sie ihre eigene Gerichtsbarkeit aus und besaßen auch das Patronat über die katholische Kirche. Bei solch bedeutendem Einfluss und der Menge der von ihnen abhängigen Personen wird es verständlich, dass ihre Burghäuser die Mittelpunkte der ersten kleinen evangelischen Gemeinden in Flamersheim und Großbüllesheim wurden. Doch die Quadts stellten nicht nur die Räumlichkeiten für den Gottesdienst zur Verfügung, sie unterstützten auch die oft aus Furcht vor Verfolgungen umherziehenden reformierten Prediger, indem sie ihnen Obdach und materielle Unterstützung gewährten, und wurden so die tatkräftigsten Förderer der neuen Lehre in unserem Gebiet. Später waren sie und ihre Nachfolger auch behilflich, den Platz für ein eigenes Wohnhaus für die Prediger-Familien zu mieten, zu kaufen und zu bebauen, das den Betsaal enthielt und der Ort für die Schule der kleinen Gemeinde war. Um 1686 scheint ein altes Haus „Auf dem Hof", (d. h. auf dem jetzigen Marktplatz) gekauft und umgebaut worden zu sein. Auch ein Garten „Auf der Leimkaul" hatte dazuge­hört. Etwa 70 Jahre später wurde dieses älteste Pfarrhaus gegen eines in der Pützgasse vertauscht, bis schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts der Pfarrer mit seiner Familie in das noch heute sogenannte „Alte Pastorat" übersiedelte und damit wieder an den Markt und den jetzigen Kirchplatz zurückkehrte.

Aufgrund der territorialen Besitzverhältnisse blieben die beiden evangelischen Gemeinden Flamersheim und Großbüllesheim - mit einer Unterbrechung im 18. Jahrhundert - drei Jahrhunderte lang pfarramtlich miteinander verbunden, wozu auch noch Sievernich gehörte. Der Pfarrer wohnte in Flamersheim und hatte um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert hier 50—70 Seelen, in Großbüllesheim 40 und in Sievernich etwa 10 seelsorgerlich zu betreuen.

Kriegsereignisse in diesen unruhigen Jahrhunderten und die Durchzüge, Ein­quartierungen und Kriegskontributionen verschiedener Truppen bedrückten alle Einwohner gleichermaßen und ohne Unterschied der Religion.

In dieser Situation ist es schon bewundernswert, dass die protestantischen Flamersheimer, unterstützt vom Burgherren und einem ihrer langjährigen Pfar­rer, nur wenig später darangingen, mit Hilfe holländischer Gemeinden 1759 ihre Kirche zu bauen, als Betsaal zunächst, wie er der Form des reformierten Gottesdienstes gemäß war, schmucklos und aus Geld- und anderen Gründen zunächst auch ohne Turm.

Seit 1815 zu Preußen als Rheinprovinz gehörig, trat das Presbyterium unserer reformierten Gemeinde 1827 der „Union der evangelischen Kirche in Preu­ßen" bei, die fortan Reformierte und Lutheraner vereinigte und für einheitliche Kultusformen und eine gemeinsame Kirchenverfassung sorgte. Etwa 50 Jahre danach und 100 Jahre nach dem eigentlichen Kirchenbau entstand unser Kirchturm (1879).

Wieder einmal - und bei weitem nicht zum letzten Male — bewährte sich dabei die enge Verbundenheit zwischen Burg und Ge­meinde Flamersheim, da die Familie von Bemberg auf Burg Flamersheim und Rings­heim auf vielerlei Weise tatkräftig Unter­stützung gewährte.

Im Jahre 1880 wurde der Kirchturm mit Glocken versehen, die aus der Geschütz­bronze von vier französischen Mörsern, einer Kriegsbeute von 1870/71, gefertigt waren. Ihr Geläut verstummte wieder, als sie im 1. Weltkrieg zu Waffen umgeschmol­zen und erst nach dem Kriege (1925) durch Gussstahlglocken ersetzt wurden.

Durch lange Zeit war diese kleine, beschei­dene Spätbarock-Kirche das geistliche Zen­trum für die evangelischen Menschen eines ökumenisches Chor-Konzert im Hof sehr weiträumigen Gebiets: für die Orte der der Burg Flamersheim, Bürgermeisterei Rheinbach (z. B. für Adendorf, Essig, Ludendorf, Morenhoven, Miel, Buschhoven), des alten Amtes Kuchen­heim, dazu noch Kirchsahr und Vischel. Ein geographisch weit ausgedehntes Gebiet, in dem um die Jahrhundertwende (1898) dennoch nur 185 Evangelische wohnten, davon hier im Ort selbst 40 Gemeindemit­glieder. Diese Zahlen änderten sich auch nur geringfügig in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts.

Die enge Verbindung zu Großbüllesheim, das von der Jahrhundertwende an in der Gemeinde Euskirchen aufgegangen war, bzw. den Namen „Gemeinde Euskirchen" angenommen hatte, dauerte bis 1953 fort, und zwar in der personellen Verbindung durch einen Pfarrer für beide Gemeinden, der zunächst in Flamersheim, später dann in dem größer werdenden Euskir­chen wohnte.

Die Zahlenverhältnisse in den evangelischen Gemeinden änderten sich nach dem Ende des 2. Weltkriegs, als sie durch Umsiedler aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und Flüchtlinge aus Mitteldeutschland geradezu sprung­haft anstiegen. Das war dann die Zeit, in der sich ehemalige Teilgemeinden verselbständigten: Zülpich von Euskirchen, Rheinbach (1948) und Bad Münstereifel (1977) von Flamersheim.

Heute, im Jahr 1984, zählt unsere Gemeinde mit den Ortsteilen der Stadt Euskirchen: Dom Esch, Flamersheim, Kirchheim, Kuchenheim, Niederkasten­holz, Palmersheim, Roitzheim, Schweinheim, Stotzheim und Weidesheim zusammen 2 600 Gemeindemitglieder, von denen 391 in Flamersheim selbst wohnen.

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Seit dem 5. Mai 1955, jetzt also im 30. Jahr, betreut Pfarrer Dankwart Fricken­schmidt, der 1957 mit seiner Familie das neuerbaute Pfarrhaus bezogen hatte, die Gemeinde. Ältere Gemeindemitglieder werden sich noch an die Zusam­menkünfte im Erdgeschoß des neuen Hauses erinnern. Die alte Sakristei verschwand 1965 und machte Platz für den großen Umbau, der zusätzlichen Gemeinderaum schuf: für den Gottesdienst das Seitenschiff, für die sonstigen Veranstaltungen den Gemeindesaal und die Küsterwohnung, die heute als Gemeindebüro genutzt wird; denn mit den Zahlen der Gemeindemitglieder stieg proportional auch der Verwaltungsarbeiten-Berg.

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Das Flamersheimer Presbyterium (1984) mit Pfarrer Dankwart Frickenschmidt (vorne, 2. v. r.)

Ihn zu bewältigen und die innere Leitung der Gemeinde zu tragen, bemüht sich das Presbyterium, das aus 8 ehrenamtlichen Mitgliedern besteht, zusam­men mit dem Pfarrer und einem (hauptamtlichen) Mitglied aus Stotzheim. Zu den Leitungsaufgaben dieses Presbyteriums gehören z. B. geistliche Aufgaben wie das Wachen über der rechten Verkündigung des Wortes Gottes und des rechten Gebrauchs der Sakramente und Verwaltungs- und finanzielle Angele­genheiten, z. B. die Berufung von Mitarbeitern, die Sorge für die kirchlichen Gebäude und die Aufstellung eines jährlichen Haushaltsplans. Um sachgemäße und gewissenhafte Entscheidungen geht es, die die Presbyter ( = „Gemeinde­älteste“) als bewusste Christen aus dem Glauben heraus und in Diskussion, Planung und Ausführung von Aktionen der Gemeinde verantwortlich mittra­gen. Ihnen stehen eine ganze Reihe von weiteren Helfern zur Seite, teils hauptamtlich, meist aber ehrenamtlich: die Pfarrsekretärin, die Helfer für die Gestaltung des Kindergottesdienstes, die Leiter von Chor und Frauenstunde, die unermüdlichen, unentbehrlichen Verteiler des Gemeindeblattes in den verschiedenen Orten, die Küsterin u. a. Sie alle miteinander und jeder an seinem Platz tragen das Gemeindeleben innerhalb der Kirche: in ihren Räumen und außerhalb und halten Verbindung untereinander und mit anderen.

An jedem 2. Sonntag im Monat fährt ein Bus im Gemeinde-Auftrag über die Dörfer und holt seit 1960 die nichtmotorisierten Gemeindemitglieder zum Gottesdienst nach Flamersheim. An jedem 2. Sonntag findet ebenfalls während des Hauptgottesdienstes in den an die Kirche anschließenden Räumen der Kindergottesdienst statt, den zwei Helferinnen gestalten, nachdem sie das Thema vorher mit dem Pfarrer abgesprochen haben. Das ist insbesondere für die vielen jungen Familien unserer Gemeinde, die sich in den letzten Jahren hier angesiedelt haben, von Bedeutung und hilfreich.

Seit nunmehr über 30 Jahren regelmäßig, anfangs wohl auch mal gelegentlich, treffen sich die Mitglieder der Frauenstunde, die sich organisatorisch der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland angeschlossen haben. Zunächst vom Pfarrer und einer hauptamtlichen Reisesekretärin, Fräulein Heister (bis 1976), im Wechsel betreut, beschäftigten sich die Frauen - zuerst in der alten Sakristei, dann im neu erbauten Pfarrhaus, z. T. auch in den einzelnen Dörfern in Privatwohnungen, schließlich im Gemeindesaal - mit vielfältigen Fragen des Christseins heute und mit Bibelarbeiten. In den letzten 7 Jahren sind diese Zusammenkünfte des Frauenkreises unter der Leitung von Frau Isolde Tschirch zweimal im Monat regelmäßig fortgeführt worden, und die Palette der Themen wurde entsprechend den Problemen unserer Zeit immer breiter: Sie reicht z. B. von Wissenswertem über die Bibel, über die Beschäftigung mit anderen Weltre­ligionen bis zu Jugendsekten und der Energie-Problematik unserer Tage. Eine besondere Aufgabe haben die Frauen mit der Ausgestaltung der Adventsfeier für die Gehörlosen aus dem Heim in Euskirchen übernommen, zu dem unsere Gemeinde bereits eine langjährige Verbindung unterhält.

Ein anderes Anliegen ist die Mitgestaltung des „Weltgebetstages der Frauen", der am 1. Freitag im März alljährlich weltweit und bei uns ebenfalls ökumenisch mit den Frauen der katholischen Gemeinde begangen wird. Im gemeinsamen Gebet und Gesang nehmen sie alle so teil an den Sorgen und Hoffnungen christlicher Frauen in anderen Teilen der Welt.

Eine alte Tradition wurde wieder aufgenommen: Mit 25 Mitgliedern probt seit 5 Jahren an jedem Dienstagabend der Chor. Unter der Leitung von Frau Christa Zimmermann bereiten sich die Sängerinnen und Sänger vor, mit Chorälen im alten Satz oder modernem Liedgut die Gottesdienste mit auszuge­stalten. Manchmal ist es ein besonderer Anlass, für den die Proben abgehalten werden, wie ein Weihnachtskonzert in der Kirche oder das Singen im Kranken­haus am 1. Weihnachtstag. Im Verein mit dem Kirchenchor der katholischen Kirche in Flamersheim wurden bereits einige besondere Feste ausgestaltet: die offizielle Einweihungsfeier der St. Stephanus-Kirche nach dem Umbau, ein Singen im Park der Burg Flamersheim oder die großen ökumenischen Gemein­defeste im Sommer 1982 und 1983. Alle diese Aufführungen und musikali­schen Umrahmungen des Gottesdienstes sind nicht ohne die Mitwirkung der musikalischen und Musik-ausübenden Familie Frickenschmidt zu denken, die sich schon bei Senioren- und anderen Feiern auf Geige, Cello, Flöte und Klavier und seit Jahren fast regelmäßig sonntags an der Orgel durch Kornelia Frickenschmidt hören ließ.

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Noch im Entstehen, aber bereits unüberhörbar, ist der kleine Posaunenchor, der dank der Verbindung zur Gemeinde Rheinbach seine musikalische Proben­arbeit aufgenommen hat.

Eine besondere Möglichkeit ökumenischer Begegnung und vielschichtiger Gespräche ist die alljährliche Bibelwoche, die am Jahresanfang für 4 Abende Interessierte beider Konfessionen einlädt, gemeinsam anhand der Beschäftigung mit biblischen Texten zum Erkennen und Bewältigen von Pro­blemen unserer Zeit aus christlicher Sicht zu gelangen. Die literarische Grund­lage hierfür sind die Arbeitshefte, die von den evangelischen Bibelgesellschaften und katholischen Bibelwerken in der Bundesrepublik herausgegeben werden, die jeder Teilnehmer in die Hand bekommt und die durch Referenten beider Konfessionen interpretiert werden.

Außerhalb des kirchlichen Raumes, aber mitten im evangelischen Gemeinde­leben haben sich seit einigen Jahren Gesprächskreise gebildet, die in privaten Räumen und sehr bald in ökumenischer Zusammensetzung Themen aus dem christlichen Alltag besprachen unter dem Generalthema „Christsein im Alltag", so z. B. Unsere Kinder, Ehe und Familie, Partner am Arbeitsplatz. Die zunächst als reine Bibelkreise begonnenen Zusammenkünfte gingen schon sehr bald zur informierenden Vorstellung und Darstellung der evangelischen und katholischen Konfession über. Heute bedenken die Teilnehmer einmal monat­lich die Anstöße, die die Video-Reihe „Warum Christen glauben" gibt, und beschäftigen sich in einem anderen offenen Kreis mit Texten z. Zt. aus dem Johannesevangelium.

Aus diesen ökumenischen Gesprächskreisen erwuchsen zunächst einmal die einigermaßen regelmäßigen Treffen des Pfarrgemeinderats mit dem Presbyterium. Eine schon ganz wesentliche Reihe von Vorhaben wurde so angeregt und tatkräftig durchgeführt: Die Aufstellung der Schilder an den Ortseingängen mit den Gottesdienst-Zeiten beider Konfessionen, das gemeinsame Pfarrfest, Chor-Konzerte, die gemeinsame Sammlung für die evangelische Paten- Gemeinde in der DDR. Auch der ökumenische Senioren-Nachmittag im Herbst 1983 gehört dazu.

Über die eigentlichen Gemeinde-Grenzen hinaus gehen die Verbindungen zu verschiedenen Gremien oder Gemeinschaften, die z. T. schon langjährig bestehen. Von dem Kontakt zur Landes-Gehörlosen-Schule in Euskirchen wurde schon berichtet. Eine weitere Verbindung besteht zum Diakoniewerk Düsseldorf-Kaiserswerth, von dessen weiten caritativen Aufgaben und Einrich­tungen sich alljährlich z. B. die Konfirmanden in einer Freizeit informieren lassen. Eine besonders enge Beziehung mit gegenseitigen Besuchen und man­chen persönlichen Kontakten besteht zu der evangelischen Bildungs- und Pflegeanstalt Hephata in Mönchengladbach, die insgesamt 370 geistig behin­derten Menschen einen Arbeitsplatz und nötige Pflege bietet. Unsere Patenge­meinde in der DDR Karwesee, Krs. Neuruppin, war längere Zeit ohne Pfarrer. Eine Kathechetin tat und tut hier mit ihrer Familie Dienst und fährt zur Unterweisung und Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Frauen noch in weitere Dörfer. Die Sammlung für die Anschaffung eines Kleinwagens (Trabant) für diese Arbeit in der DDR wurde nachhaltig auch durch die katholische Gemeinde hier in Flamersheim unterstützt.

Für die Treffen der Ungarischen evangelischen Gemeinde in Nordrhein-Westfa­len, die drei- bis viermal im Jahr mit ungarisch gehaltenem Gottesdienst bei uns zu Gast ist, stehen die Gemeinderäume auch für Familientreffen zur Verfügung.
In Zusammenarbeit mit den evangelischen Gemeinden Euskirchen, Bad Mün­stereifel und Zülpich unterhält die Gemeinde Flamersheim das Diakonische Werk in Euskirchen, das Jugend- und Senioren-Freizeiten organisiert und in vielen sozialen Fragen berät und hilft.

Alle Nachrichten aus der Gemeinde werden im „Monatsbrief der evangelischen Gemeinde Flamersheim" bekanntgemacht. Seit der Abtrennung von Bad Münstereifel als selbständiger Gemeinde 1977 zieren zwei Vignetten den Kopf des Blattes: unsere Kirche und das Gemeindezentrum in Stotzheim. Sie sind damit auch Symbole für die beiden Schwerpunkte in unserem Gemeindeleben.

Das Gemeindezentrum in Stotzheim besteht aus 2 Häusern, die 1967 und der Anbau 1976 ihrer Bestimmung übergeben werden konnten. Im älteren Haus befinden sich Gemeinde- und Jugendräume, dazu im 1. Stock eine Dienstwohnung, im neueren Haus ebenfalls Jugend- und Werkräume. Unter der Überschrift „Mobile berichtet — Mobile informiert" erfährt man seit 1978 jeden Monat im Gemeindeblatt die vielfältigen Aktivitäten dieses Gemeinde- und Jugendzentrums. Neben den Zusammenkünften in nach Altersgruppen unterschiedlichen Jungen- und Mädchen-Kreisen bestehen Arbeitsgemein­schaften je nach den Interessen der Teilnehmer, z. B. für Basteln, Tischtennis, Foto oder Laienspiel. Das Haus ist daneben allen Besuchern zugänglich als TOT = die teiloffene Tür, wenn die Teestube und die Bibliothek geöffnet sind oder freitags die Disco. Die ganze Gemeinde ist zweimal im Monat Samstag abends zum Gottesdienst eingeladen und zu besonderen Veranstaltungen des Hauses, etwa dem Familiengottesdienst zum Erntedankfest, dem Basar für die Dritte Welt in der Adventszeit, zu Film- und besonderen Elternabenden. Außer­halb des Hauses beteiligen sich die „Mobile"-Freunde unter Leitung der Mitarbeiter, des Ehepaars Buchau und vieler ehrenamtlicher Helfer z. B. an Wochenend- und auch Zeltfreizeiten, an evangelischen Kirchentagen, am ökumenischen Gemeindefest in Stotzheim, organisieren Freizeiten mit Behin­derten und sammeln Altpapier zur Wiederverwendung.

„Mobile", der Name des Zentrums, bedeutet soviel wie „beweglich" und meint: selbst in Bewegung sein und anderes oder andere in Bewegung setzen — ein gutes Programm für junge Menschen, die ihren Platz in dieser Welt finden müssen.

Wer vom Flamersheimer Marktplatz her heute zur evangelischen Kirche geht, überblickt ein gutes Stück Dorfgeschichte, wenn er über die sogenannten „Judenhäuser", den Gerichtsstein, die St. Stephanus-Kirche, zur Burg, zum Alten Pastorat und schließlich zu den Eiben am Eingang vor unserer Kirche schaut.

Dem nachdenklichen Betrachter können dabei wohl Gedanken kommen, die Beziehungen herstellen: Altes und Neues Testament, Schuld und Sühne, Burg und Dorf, Katholiken und Protestanten, Geschichte und Gegenwart. Alle und alles ist um den Platz aufgereiht, der voneinander trennt und gleichzeitig auch verbindet.

Das alte Siegel der Flamersheimer evangelischen Gemeinde hatte ein Zitat aus den Sprüchen Salomonis zum Sinnspruch gehabt: Nomen domini turris fortissima. Es stammt aus dem Alten Testament: Sprüche 18, 10 - steht als Ein­gangsgruß über unserer Kirchentür und heißt in der gemeinsamen Bibelüber­setzung evangelischer und katholischer Christen aus dem Jahr 1982:
„Gott, der Herr, ist ein fester Turm;
wer ihm gehorcht, findet dort sichere Zuflucht."

In der Zeit vom 5. bis zum 12. Juni feiert nun die evangelische Kirchengemeinde in Flamersheim ihr 450-jähriges Jubiläum, das im Kreis Euskirchen große Beachtung finden wird:

 

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