Begegnung mit Karl-Friedrich Liebermann (1985), Bauleiter der NS-Ordensburg Vogelsang und „Ehrenamtlicher Stadtbaurat von Gemünd“ (1936)

von Hans-Dieter Arntz
19.08.2017

Bei den Recherchen zu meinem Standardwerk Ordensburg Vogelsang 1934-1945 - Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich (1986), das jetzt Ende September 2017 in neuem Format sowie in neuer Aufmachung und Gestaltung als 7. Auflage im Regionalverlag Rheinbach erscheint, lernte ich interessante Zeitzeugen kennen. Über diesbezüglich Begegnungen findet man auch einiges auf meiner Homepage.

Im Jahre 1985 lernte ich den offiziellen Baumeister der einstigen NS-Ordensburg Vogelsang kennen: Karl-Friedrich Liebermann (*1893).

Bei meinem Besuch in seiner großzügig bemessenen Wohnung in Köln machte der Architekt einen gesundheitlich guten Eindruck. Sein Gedächtnis wirkte frisch, und viele Details verdienen es eigentlich, später doch noch einmal aufgearbeitet zu werden.

Ich hatte mich auf das etwa zweistündige Interview gut vorbereitet, zumal ich mehrere seiner früheren Mitarbeiter bzw. Angehörige kennen gelernt hatte. Hierzu gehörte u.a. Annemarie Albert, deren Ehemann im Dritten Reich Professor und Leiter der Leiter der Münchener Staatsbauschule war. Gemeinsam mit Prof. Klotz und Karl-Friedrich Liebermann hatte er in der Zeit von 1934 bis 1936 die Baustelle Vogelsang in der Eifel besucht und mit einigen Fotos verewigt. Beide Männer waren auch mit kleineren Bauprojekten im Nürnberger Reichstagsgelände beschäftigt, was mehrere Bilder belegen.

Ich wusste aus Artikeln des „Westdeutschen Beobachters“, dass Karl-Friedrich Liebermann, der örtliche Bauleiter des ursprünglich als „Reichsschulungsburg am Urft-See“ konzipierten Bauprojektes, zwar Mitglied der NSDAP war, aber eigenartigerweise nicht von den damaligen Journalisten als „Prototyp des nationalsozialistischen Architekten“ stilisiert wurde.


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Das war verwunderlich, denn er stand unter der Leitung des eigentlichen Vogelsang-Architekten Prof. Clemens Klotz (1889 -1969) und hatte zudem ab 1937 verstärkt auch Vorarbeiten für Albert Speer (1905 -1981) zu erbringen, der als besonderer Günstling Hitlers Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt war und zahlreiche Monumentalbauvorhaben verwirklichte. Die Baumappe von Liebermann enthält diesbezüglich auch Skizzen vom neuen „Triumphbogen“ in Berlin, der das historische Brandenburger Tor im wahren Sinne des Wortes mehrfach überragen sollte.

Der 93jährige Kölner Architekt zeigte mir Fotos von Holzmodellen, die die Tribünen des Parteitag-Geländes veranschaulichen sollten.

Bei einer solchen Gelegenheit traf er in Nürnberg angeblich mit Hitler und Speer zusammen und durfte hierüber seine Meinung sowie zusätzlich seine architektonische Erfahrung anlässlich seiner Tätigkeit im Gelände der NS-Ordensburg Vogelsang äußern.

Die Pläne für das ursprüngliche „Reichsschulungslager" stammten von Prof. Clemens Klotz und wurden gewissenhaft von Karl-Friedrich Liebermann verwirklicht. Der damals 93jährige Architekt, der nach dem Kriege in Köln und Umgebung am Bau vieler Schulen und Turnhallen, aber auch an Gemeindehäusern und Kirchen maßgeblich beteiligt war – z.B. am 1953 Wiederaufbau der Kirche St. Clemens in Herrig (mit Hans Hansen) – beklagte sich mir gegenüber darüber, dass seine Leistungen nie ganz gewürdigt worden wären. Seine berufliche Kooperation mit Albert Speer und die Errichtung weiterer „kleiner Nazibauten“ wären wohl Schuld daran. Von seiner Arbeit nach dem Kriege würde keiner sprechen. Da ging es seinem Vorgesetzten Prof. Klotz nur etwas besser:

In der Nachkriegszeit spielte Klotz im Gegensatz zu Kollegen wie Wilhelm Kreis oder Hermann Giesler keine besondere Rolle mehr im Baugeschehen. Seine weiterhin an den Planungsprinzipien der NS-Zeit orientierten Entwürfe fanden nur noch wenig Anklang.

Die Errichtung der Ordensburg Vogelsang war nach Ansicht von Karl-Friedrich Liebermann sein größtes Bauprojekt. Hierüber erzählte er ganz begeistert und hatte in mir einen interessierten Zuhörer.

 


testArchitekt Karl Friedrich Liebermann und Buchautor Hans-Dieter Arntz (1985)

 

Selbst als „schlichter Baumeister“ war er – seinen eigenen Berichten nach – an der Organisation der Materialbeschaffung beteiligt. Fotos zeigen ihn als Referenten bei Tagungen und sogar bei der Ratifizierung spezieller Verträge mit in- und ausländischen Firmenvertretern.


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Voller Dankbarkeit ernannte ihn der Bürgermeister von Gemünd am 20. November 1936 zum „ehrenamtlichen Stadtbaurat". Ausdrücklich betonten die Repräsentanten von Gemünd: „Die Ernennung erfolgt auf Grund Ihres bisher gezeigten großen Interesses für die bauliche Entwicklung unserer Stadt und nicht zuletzt in Anerkennung Ihrer großen Verdienste bei der Errichtung der Ordensburg Vogelsang, deren Schaffung neben den hohen weltanschaulichen Werten auch wirtschaftlich weittragendste Bedeutung für unsere Heimat hat..."

 

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Schon an anderer Stelle hatte ich die Anfänge des Bauprojektes dargestellt:

Am 8. März 1934 erfuhr es auch der letzte Zeitungsleser, dass das große „Schulungslager" der NSDAP in die Eifel kommen sollte. Immerhin waren lange Zeit Schwarzwald und Harz, aber auch die Gebirge in Schlesien im Gespräch gewesen. Schon 1933 hatte es im Gemünder Stadtrat positive Zusagen gegeben, und Kreisleiter Binz wusste Reichsorganisationsleiter Robert Ley in vielen Diskussionen auf die Standortpräferenz aufmerksam zu machen.

Der Eifel-Journalist Hubert Meyer publizierte als erster den Gemünder Stadtratsbeschluss im Euskirchener `Volksblatt´. Danach war er den Schikanen der NSDAP ausgesetzt, weil deren Parteiorgan, der `Westdeutsche Beobachter´, den `Knüller´ nicht noch schneller veröffentlichen konnte. Wenn auch Architekt Klotz bereits die Grundkonzeption für das Schulungslager entworfen hatte, so war die Gesamtplanung zur Zeit des ersten Spatenstiches noch nicht fertig. Fast zu eilig hatte der Reichsorganisationsleiter inzwischen ein Besitztum von etwa 110 Hektar im Werte von etwa 145000 Reichsmark von Bauern aus der Umgebung von Morsbach, Wollseifen und Dreiborn erworben bzw. bis zum Jahre 1938 hinzugekauft. Doch die Parzelle `Im Vogelsang´, südöstlich von der späteren Burg gelegen, erwies sich als zu klein.

Das Bauvorhaben wurde auf den topographisch günstigeren Berg-Tücken westlich des Morsbaches verlegt, der sich in einer Länge von 2,5 Kilometer aus der Dreiborner Hochfläche heraus mit relativ geringen Niveau-Unterschieden (etwa 500 Meter am Walberhof bis 409 Meter am späteren Adlerhof) zum Urftsee hin erstreckte. Dennoch hielt man die Bezeichnung `Vogelsang´ für die spätere Burganlage bei. Der Name sollte zudem historische Reminiszenzen ermöglichen. Schließlich hieß auch die sich gegenüber der Stadt Thorn befindende Burg des Deutschen Ordens im Mittelalter `Vogelsank´.

Der von Clemens Klotz beauftragte Baumeister, Architekt Karl-Friedrich Liebermann weiß von lebhaften Diskussionen mit Klotz und Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer zu berichten, die meist mit dem Zerreißen gerade angefertigter Zeichnungen endeten. Hinzu kam, dass die Finanzierung - nach heutigen Maßstäben - ausgesprochen abenteuerlich war.

Professor Klotz verwirklichte im Dritten Reich viele überdimensionierte Parteiprojekte. In einem Rundfunkinterview am 29. Mai 1965 erinnerte er daran, dass die eigentliche Ordensburg nicht in der Eifel, sondern am Rhein, gegenüber der Insel Nonnenwerth, gebaut werden sollte. Die gewaltigen Anlagen sollten weit in den Strom hineinragen. Klotz konnte jedoch Robert Ley mit dem Hinweis auf die Aufwendigkeit des Unterfangens von seinem Vorhaben abbringen.

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Architekt K. F. Liebermann (1936), der nach den Plänen von Prof. Clemens Klotz Burg Vogelsang erbaute

Hauptgrund war jedoch angeblich, dass der Architekt zu dem Nonnenkloster eine persönliche Beziehung hatte: `Ich hatte es nämlich seinerzeit im Auftrage des späteren Kardinals Frings umgebaut und wollte nun den Schwestern die Nachbarschaft mit einer nationalsozialistischen Schulungsstätte ersparen.´ Der erste Spatenstich erfolgte am 15. März 1934. Mit den Bauarbeiten begann man am 20. Juni. Da bereits am 1. Mai 1936 die ersten `Junker´ in die Burg eingezogen waren, kann man sich vorstellen, in welchem Tempo die Gebäude hochgezogen wurden...

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