Erneute Irritationen um Interpretation der jüngsten deutschen Geschichte –
Antipathie gegenüber jeder Form von „Heldentum?“

von Hans-Dieter Arntz
11.12.2007

grafikDerselbe Redakteur der Euskirchen/Eifel- Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers, der bereits früher für Irritationen in der wertfreien Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte sorgte, musste sich mit seinem Artikel „Symbole eines militärischen Totenkultes“ vom 16. November 2007 erneut kritisieren lassen. Offenbar motivierte ihn seine Mitgliedschaft im „Verein gegen das Vergessen – Für Demokratie“ – anlässlich eines Artikels zum Volkstrauertag – zur Argumentation: „Statt Krieg und die dafür Verantwortlichen anzuklagen, verherrlichten die Denkmäler den Tod an der Front als Heldenopfer.“

Besonders Kreise der deutschen Bundeswehr betrachten diese Ansicht als „vereinfachte Sicht eines recht komplexen Sachverhaltes unserer Geschichte.“  Und schon wieder gibt es „Irritationen“ und Kritik an dem Journalisten und ehemaligen Zeitsoldaten, wegen seiner vielleicht doch recht subjektiven  Bewertung der deutschen Geschichte.

Auch Andreas Broicher, Brigadegeneral a. D. aus Zülpich, war nicht bereit, diese Pauschalierung hinzunehmen und verfasste einen - auf Wunsch desselben Redakteurs gekürzten – Leserbrief, der am 4. Dezember 2007 publiziert wurde. Brigadegeneral a.D. Broicher reicht auf meiner Homepage seine vollständige Stellungnahme nach und vertritt  – auch als Historiker und Vorsitzender des Zülpicher Geschichtsvereins - eine differenzierte Betrachtung.

 

Einige Details zu dem ehemaligen General der deutschen Bundeswehr:

Als Soldat schon interessierte er sich für Militärgeschichte und immer wieder meldete er sich  im Protest gegen Pauschalurteile. So verfasste er auch einen Beitrag zu der Publikation „Die Soldaten der Wehrmacht“, die ab 1998 in sieben Auflagen beim Herbig- Verlag erschien.

Sein Beitrag erschien unter dem Titel „Die Wehrmacht in ausländische Urteilen“. Er war insgesamt über acht Jahre in so genannten „integrierten Verwendungen“ in SHAPE / Belgien eingesetzt. Seine zahlreichen Kontakte, insbesondere zu US-Militärhistorikern, halfen ihm seit vielen Jahren, dieses komplexe Thema auch aus der Sicht der Anglo-Amerikaner zu sehen. Dies fand er für eine differenzierte Betrachtung dieser Thematik sehr nützlich.

 

heldentum

 

In Ergänzung zu dem verkürzten Leserbrief, der am 4. Dezember 2007 in der Euskirchener Lokalausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers abgedruckt wurde, folgt nun der vollständige Text, der zum Nachdenken Anlass gibt:

 

An die Redaktion
Kölner Stadt-Anzeiger

Betr.:  Artikel von F. A. Heinen, Symbole eines militaristischen Totenkultes, im Kölner Stadt-Anzeiger vom 16. November 2007, Euskirchener  Land

Hier:    Leserzuschrift

Der Artikel „Symbole eines militaristischen Totenkultes“ in der Euskirchener Ausgabe ist seitens der Redaktion wohl absichtlich mit diesem reißerischen Aufmacher kurz vor dem diesjährigen Volkstrauertag veröffentlicht worden. Offensichtlich ist beabsichtigt, dem alljährlich an diesem Tag stattfindenden Gedenken der Toten vergangener und gegenwärtiger Kriege einen zeitangepassten Inhalt zu geben. Der Autor, F. A. Heinen, macht keinen Hehl aus seiner Antipathie gegenüber jeder Form von Heldentum vor allem dann, wenn sie in Uniform daherkommt. Überhaupt sieht er in den Kriegervereinen früherer Tage (in anderen Ländern kennt man sie heute noch unter dem Begriff Veteranen-Vereinigungen, in Deutschland gibt es sie nicht mehr) die Quelle einer aus seiner Sicht überholten „Gestaltung kriegerischer Leichenfeiern.“ Generell, so findet er,  hätten die zwischen den beiden Weltkriegen errichteten „Kriegerdenkmäler“ den Makel, „statt Krieg und die dafür Verantwortlichen anzuklagen, verherrlichten die Denkmäler den Tod an der Front als Heldenopfer“. Ich meine, dass dies zwar eine gängige aber auch höchst vereinfachte Sicht eines recht komplexen Sachverhaltes unserer Geschichte ist.

Aktuell wurde auch im Bundestag über den Sinn und Zweck eines Denkmals für die im Einsatz gefallenen Soldaten, Polizisten und zivilen Aufbauhelfer diskutiert. Diese Idee wird im Grundsatz von einer großen Mehrheit der Volksvertreter unterstützt und es ist anzunehmen, dass es auch in der deutschen Bevölkerung kaum Widerstand gegen ein solches Vorhaben gibt. Es besteht demnach weitgehend Konsens, dass die bisher bei Einsätzen im Dienst der Bundesrepublik ums Leben gekommenen 26 Mitbürger, davon die Mehrzahl Soldaten, getreu ihrem Auftrag für Volk und Staat ihr Leben geopfert haben. Die Bereitschaft, Leben und Gesundheit für die eigene Überzeugung, für eine gerechte Sache, zum Schutz der eigenen Familie und von Volk und Staat einzusetzen, gilt seit Menschengedenken als eine mutige Tat, die allerdings Bereitschaft zum Opfer verlangt. Einen Mann oder eine Frau, die dazu bereit sind und dem Entschluss dann auch die Tat folgen lassen, hat man bis 1945 ohne zu zögern Held oder Heldin genannt. Amerikaner, Russen, Franzosen, Israelis und Engländer, um nur einige Nationen zu nennen, tun dies auch heute noch. 

In Deutschland ist das anders. Wie so vieles andere, so hat der Nationalsozialismus auch die Begriffe Opferbereitschaft und Heldentum in einer Weise missbraucht, die uns heute noch schaudern lässt. So wurden selbst diejenigen noch „Helden“ genannt, die sich als williges Werkzeug des nationalsozialistischen Regimes hergaben und an den schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilnahmen. Im Bewusstsein einer solchen Ungeheuerlichkeit ist es ganz natürlich inne zu halten und zu fragen, ob man jemals wieder die Begriffe Opfermut und Heldentum verwenden sollte?

Aber es lohnt auch, Ereignisse dieser Zeit aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Am Eingang zum deutschen Soldatenfriedhof nahe der Ortschaft Hürtgen sieht man eine bronzene Votivtafel, die Veteranen der amerikanischen 4. Infanteriedivision (Veteranen entsprechen den Mitgliedern der vormaligen deutschen Kriegervereine) dort mit folgender Inschrift, in deutsch und englisch,  angebracht haben:

 

„Niemand hat groessere Liebe als wer
sein Leben hingibt für seinen Feind.

ZUM GEDENKEN
AN
LEUTNANT FRIEDRICH LENGFELD
2. Kp., Füs.Btl., 275. Inf.Div.

 

Hier im Hürtgenwald am 12. November 1944
Tödlich verwundet, als er einen um Hilfe
Rufenden schwerverwundeten amerikanischen
Soldaten aus dem Minenfeld „Wilde Sau“
Im Niemandsland retten wollte.

 

ERRICHTET AM 7. OKTOBER 1994
DIE
VETERANEN-VEREINIGUNG –
2. WELTKRIEG
22. US INF.RGT., 4. INF.DIV.
„Taten nicht Worte“

 

Die Geschichte der Kämpfe um dieses blutgetränkte Stück deutschen Bodens kennt noch einige Beispiele derartiger Opferbereitschaft, die von deutschen Soldaten den verwundeten  amerikanischen Soldaten unter Einsatz des Lebens gezeigt wurden. Stilles Heldentum, um das sich bis heute kaum ein deutscher Historiker gekümmert hat. Aber amerikanische Berichte, die unmittelbar nach den Kämpfen im Rahmen der so genannten „oral history“ verfasst wurden, geben jedem, der sich dafür interessiert, Auskunft.

Der große Historiker Leopold von Ranke hat einmal gesagt: „Den Charakter einer Nation erkennt man daran, wie sie ihre Soldaten nach einem verlorenen Krieg behandelt.“ An diese Mahnung sollten wir uns nicht nur dann erinnern, wenn wir die Toten unserer Tage angemessen ehren. Im Gedenken an die Millionen Tote der vergangenen Kriege sollten wir auch all die Trauer und das Leid mit einschließen, dass den hinterbliebenen Müttern, Frauen, Kindern und Geschwistern der Gefallenen und Gestorbenen aufgeladen wurde. Tut man dies, dann kann man auch verstehen, dass es seit jeher das Bedürfnis einer mitfühlenden Gesellschaft war, den Gefallenen eines Krieges Denkmäler von beeindruckender Größe zu setzen, um auf diese Weise insbesondere den Hinterbliebenen den Respekt vor dem Opfer ihrer Lieben zum Ausdruck zu bringen.

In diesem Zusammenhang sind auch heute noch die Worte bedenkenswert, die unser erster Bundespräsident, der allseits geschätzte Theodor Heuss, anlässlich der Weihe des Soldatenfriedhofes im Hürtgenwald im August 1952 zu den dort Versammelten gesprochen hat: „Wollten wir hier und jetzt politisch reden, müsste das eine bittere Rede sein, denn die sich hier für das Vaterland opferten, zum Schutze des vaterländischen Bodens – jener noch gläubig, dieser schon mit verbissener Resignation -, wurden geopfert, um die Herrschaft einer Gruppe um ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate zu verlängern, einer Gruppe, die hellsichtig genug war, selber ihr Ende deutlich zu sehen, aber auch zynisch genug, in ihr eigenes Ende das vaterländische Schicksal bewusst mit hineinzureißen.“  Seine bewegende Ansprache schloss er mit den Worten: „Die in den Gräbern vor uns ruhen, warten auf uns, auf uns alle. Sie wollen gar nicht, dass wir mit lauten Worten sie „Helden“ nennen. Sie haben für uns gekämpft, gezagt, gelitten, sie sind für uns gestorben. Sie waren Menschen wie wir….“

Andreas Broicher, Brigadegeneral a. D.
53909  Zülpich, Ubierweg 4
Telfon: 02252-7511
E-Mail: andreas@broicher.org

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