Euskirchener Regionalhistorie: Das „Viehplätzchen-Viertel“

von Hans-Dieter Arntz
08.07.2010

Alte Plätze und Straßen haben ihre eigene Geschichte und werden häufig in Dialekt und Mundart beschrieben. Das gilt auch für andere Aspekte der Eifeler Regionalhistorie.

Viehplätzchen-Viertel 1   Viehplätzchen-Viertel 2
Viehplätzchen-Viertel 5   Viehplätzchen-Viertel 4
Viehplätzchen-Viertel 3

 

Das Euskirchener „Viehplätzchen-Viertel“ soll in den nächsten Jahren neu gestaltet werden. Das als „Bügeleisen“ bekannte, mehrstöckige Haus in der Kommerner Straße Nr. 1 sowie Anbauten des Alten Brauhauses werden demnächst abgebrochen, womit ein historischer Teil des Stadtbildes verschwindet. Schüler haben inzwischen unter künstlerischer Betreuung das erstgenannte Bauwerk mit farbigen Graffiti versehen. Das Brauhaus hat eine interessante Historie und wurde von dem Euskirchener Heimatdichter und Chronisten Theodor Nießen (1877-1967) als „Stadtvezällche“ unter der Überschrift „Em Hasebräu“(1931) verewigt. Seine „Alten Erinnerungen“ befassen sich auch mit dem nahen Viehplätzchen und dem Leben und Treiben, das dort einst geherrscht hat.

Fünf Jahre vorher konstatierte der Heimatforscher Peter Simons (1877-1956) die Geschichte des Viehplätzchens:

Der Viehmarkt an der Kapellenstraße führte zur jülich-kurpfälzischen Zeit den Namen „Ferkelsmarkt“, dann in den ersten Jahrzehnten preußischer Herrschaft „Geißenmarkt“ als Verkaufsplatz für Schweine, Schafe, Ziegen und sonstiges Kleinvieh. Das Ratsprotokoll vom 31. Oktober 1711 vermeldet, daß an diesem Tage aus Anlaß des Regierungsantritts Kaiser Karls VI, „auf dem platz aufm Verckesmarck“ drei Haken- oder Kammerschüsse abgefeuert worden sind.

Wie aus einer Eingabe der Bewohner dieses Stadtteils an den Bürgermeister Dr. Sester vom 19. Oktober 1905 hervorgeht, war das „Viehplätzchen“ in früherer Zeit an den Kirmestagen mit Krambuden besetzt. Diesem habe man in den letzten Jahren nicht mehr stattgegeben, wodurch der Verkehr in diesem Stadtviertel zu besagter Zeit völlig lahm gelegt sei. Es wird beantragt, den Zwiebelverkauf von seinem bisherigen Platze an der Klosterstraße nach dem „Viehplätzchen“ zu verlegen. Schon zwei Tage darauf konnte der Bürgermeister nach Anhörung der Stadtverordneten dem Antrage gemäß verfügen. „Der auf dem hiesigen Herbst-Jahrmarkt übliche Zwiebelverkauf findet für die Folge auf dem Viehplätzchen an der Kapellenstraße statt....“

1858 erhielt das Viehplätzchen einen neuen Brunnen, weil der alte ausgetrocknet war.
1906 wurde das Brunnengehäuse abgebrochen, weil er durch die ab 1887 eingeführte zentrale Wasserversorgung überflüssig geworden war. Seit 1985 ziert das Viehplätzchen zur Erinnerung an den alten Brunnen eine nostalgische, gusseiserne Handpumpe (Nachbau 1880).

Theodor Nießen war Schmiedemeister, Dichter und Schriftsteller in Euskirchener Mundart. Besonders in den 1920er und 1930er Jahren publizierte er in der Beilage zum „Euskirchener Volksblatt“. Seine historisch relevanten Darstellungen im typischen Dialekt erschienen unter der Gesamtüberschrift „Unsere Heimat im Wandel der Zeit“ und erinnern an die Zeit vor und nach 1900. Auch heute noch gilt er aus regionalhistorischer Sicht als unerreichter Mundart-Dichter und Publizist, nach dem inzwischen auch eine Straße benannt wurde. Die Stadt Euskirchen veröffentlichte 1967 erstmals eine Sammlung seiner "Gedichte und Öskerche Verzällche". Später gab sie eine überarbeitete Sammlung seines mundartlichen Schaffens heraus. Eine Tageszeitung schrieb über Theodor Nießen im Nachruf: „Ein Mundartdichter, wie ihn Euskirchen in dieser Vollendung und Prägung kein zweites Mal gehabt hat“.

Nießens „Stadtvezällche“ beschreibt das Treiben auf dem Viehplätzchen und das Geschehen „Em Hasebräu“:

 

Em Hasebräu 1

Em Hasebräu 2

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