Jüdische Wanderer des Eifelvereins auch in den Ortsgruppen Liblar und Rheinbach (bis 1933)

von Hans-Dieter Arntz
14.07.2018

Als Aufforderung an Archivare des Eifelvereins, ihre jüdischen Mitglieder posthum zu würdigen und an sie zu erinnern, soll mein heutiger Online-Beitrag gelten. Erneut greife ich dieses Thema auf.

In den ersten Monaten nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten führte die gleichgeschaltete Presse jüdische Persönlichkeiten und Vereine provokativ vor, die aus dem Sport- oder sonstigem sozialen Gemeindeleben „entfernt“ wurden. Das war zwar ein Beweis für eine bisherige Mitgliedschaft, aber dann auch auf diesem Gebiet das Ende des „harmonischen Zusammenseins“! Wenn man heutzutage bei den jeweiligen Vereinen nachfragt, dann wird immer die damalige Streichung der jüdischen Mitglieder genannt. Kaum jemand erinnert sich noch an sie – und teilweise auch nicht mehr an eventuelle Leistungen und Verdienste -, was beweist, dass Abertausende vergessen sind. Mit dem Ausschluss jüdischer Vereinsmitglieder ab 1933 befasste ich mich exemplarisch am 23. März 2018 in meinem Online-Artikel: Suche nach jüdischen Mitgliedern des Eifelvereins (bis 1933)

Prof. Wolfgang Schmid von der Universität Trier - als Hauptkulturwart Mitglied des Hauptvorstandes des Eifelvereins, der heutzutage mit etwa 28.000 Mitgliedern immer noch zu den größten Wandervereinen in Deutschland zählt -, antwortete mir diesbezüglich:

(…) Leider gibt es gedruckte Mitgliederlisten nur in der Zeit um 1900. 1944 ist die Geschäftsstelle in Bonn ausgebombt worden. In der Festschriftenliteratur hat man dieses Thema totgeschwiegen. Das einzige, was mir einfällt, sind Meldebogen der OG Koblenz, die deutlich machen, dass die Mitgliederzahl 1933 erheblich geschrumpft ist. Vgl. hierzu: http://www.eifelverein-koblenz.de/index.php/bildergalerie/geschichte/319-1933

Seit März 2018 erhalte ich nun erfreulicherweise e-mails, die sich für mein Engagement bedanken und ihrerseits an jüdische Vereinsmitglieder des Eifelvereins erinnern. Hierbei handelt es sich meist um im Ausland lebende jüdische Leser meiner regionalhistorischen Homepage, deren Angehörige ursprünglich aus der Region Bonn-Köln-Aachen stammen. Bei der Überprüfung der Angaben, bei der mich dankenswerterweise die Stadtarchive unterstützen, tauchen nun plötzlich auch Hinweise, Fotos und andere Details auf, nach denen man gerade jetzt erst gesucht hat. Vgl. hierzu meine NEWS vom 17. Juni (Blumenthal) oder vom 23. März 2018 (Euskirchen). Heute geht es nur kurz um Liblar und Rheinbach.

testDie damalige Liblarer Ortsgruppe des Eifelvereins gibt es allerdings heute nicht mehr, denn sie ging 1982 in der Ortsgruppe Erftstadt auf. Somit fehlen Angaben über jüdische Mitglieder. Aber auch in Liblar gab es früher eine Ortsgruppe des Eifelvereins, zu der jüdische Mitglieder zählten, u.a. auch Moritz Billig (1885 – 1944 Riga). Angehörige wohnte bis zum Holocaust auch in Euskirchen. Sein Sohn, Rudolf Billig aus Flushing (New York), erwähnte schon früher die Mitgliedschaft, und der Genealoge Stefan Kahlen aus Borgholzhausen, dem ich schon früher unzählige Informationen verdankte, stellte mir sogar ein Portrait von Moritz Billig zur Verfügung.

Meine weiteren Hinweise sollen Archiven, Heimatforschern und anderen Interessierten dazu dienen, an ihre ehemaligen „jüdischen Mitbürger“ zu erinnern. Bei Familienbuch Euregio heißt es:

Moritz Billig, *19.03.1885 Liblar, umgekommen Juni 1944 in Riga; Ehemann von Rosa Marx; Sohn von Jakob Billig und Johanna Kaufmann. Moritz Billig führte die väterliche Metzgerei in der Hauptstraße Liblars weiter. Wie sein Vater handelete auch er in den umliegenden Dörfern mit Vieh. Die Familie war fromm, aber nicht orthodox. Für die christliche Kundschaft wurden auch Schweine geschlachtet. Moritz Billig war Mitglied im Kegelklub und im Eifelverein. Er erhielt das EK II des Ersten Weltkriegs, in dem er als "Luftschiffer der 6. Armee" teilnahm. In der Reichspogromnacht wurde seine Wohnung demoliert. 1939 musste die Familie nach Köln übersiedeln, von wo sie 1941 nach Riga deportiert wurde. Moritz Billig und seine Frau wurden 1944 in Riga erschossen. 

Am besten wird man diesbezüglich durch das umfangreiche Buch von Heidi und Cornelius Bormann informiert: Heimat an der Erft. Die Landjuden in den Synagogengemeinden Gymnich, Friesheim und Lechenich, hrsg. Von der Stadt Erftstadt (1992). Vgl. hierzu besonders: S. 11 ff. sowie S. 477 ff..

 

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Besonders interessant ist ein Foto, das belegt, dass Moritz Billig wirklich im Eifelverein war. Es zeigt ihn bei einem Ausflug an die Mosel (ca.1930) mit dem dörflichen Drogisten, einem Bäckermeister, einem Schlosser, dem Amtsinspektor, einem Architekten, dem Rentmeister, einem Prokuristen und ihn ganz rechts selber.

Das Bild wurde mir dankenswerterweise vom Stadtarchiv Erftstadt überlassen (Bildarchiv Liblar, Best. E 01).
Ganz spontan stellte mir Dietmar Pertz, engagierter Leiter des Stadtarchivs Rheinbach, ein Gruppenbild aus den 1920er Jahren zur Verfügung, das Teilnehmer des Eifelvereins, Ortsgruppe Rheinbach, mit den jüdischen Schwestern Rolef zeigt. Vgl. vordere Reihe: 2.v.l. Josefine Rolef und 4. v.l. Selma Rolef). Ergänzend fügte er einen Auszug aus einer Schrift über das Judentum in Rheinbach bei, der Auskunft über ihre Familiengeschichte gibt.

 

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Wie die Familie Billig aus Liblar, so hatten auch die Rheinbacher Geschwister Rolef Verwandte in der benachbarten Kreisstadt Euskirchen und nahmen als Gäste auch gerne zusätzlich an den Wanderungen des dortigen Eifelvereins teil. Josefine Rolef wurde am 09. Februar 1899 in Rheinbach geboren und lebte später in Wattenscheid, Gelsenkirchen und Bonn. Ihre um zwei Jahre jüngere Schwester Selma, die am 16. Februar 1897 in Rheinbach geboren wurde, hielt sich stets in ihrer Geburtsstadt oder im nahen Bonn auf. Mit anderen Juden aus Rheinbach wurden die Schwestern Selma und Josefine Rolef am Montag, dem 11. Februar 1942, ab Rheinbach deportiert und am 20. Juli 1942 von Köln aus nach Minsk verschickt, wo sie in Maly Trostinec ermordet wurden.

Ich könnte auch schon jetzt weitere Nachweise und Fotos von jüdischen Mitgliedern des Eifelvereins publizieren, da bis heute keine Listen erstellt wurden. Aber wäre das nicht eine Aufforderung an die Archivare der jeweiligen Ortsgruppen, ihrer jüdischen Mitglieder posthum zu suchen und ihrer irgendwie zu gedenken?

Bis zur rassistischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten stellte das Judentum überhaupt keinen Diskussionsgrund im Eifelverein dar. Jüdische Mitglieder waren Wanderer wie alle anderen. Ich jedoch fand bisher keinen einzigen Grund dafür, dass in dieser großen Organisation irgendwelche Diskriminierungen vorkamen oder gar Rassenhass vorherrschte.

Ergo: Wie auch in anderen Vereinen der Eifel und Voreifel waren Juden in das soziale Leben integriert. Ihre Ausstoß im Jahre 1933 müsste ein Grund sein, sie doch einmal detailliert in neuen Chroniken zu erwähnen, denn auch dies wäre eine spezielle Form einer „Stolperstein-Verlegung“.

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