Neues zur Erinnerungskultur im Kreis Euskirchen: Erinnerung, Mahnung, Empörung – aber auch Schweigen, Scham und Zerstörung!

von Hans-Dieter Arntz
22.08.2013

Erinnerungskultur1

Immer wieder berichtet meine regionalhistorische Homepage in den vielen NEWS und ARTIKELN über das, was im Allgemeinen unter der Überschrift Erinnerungskultur zusammengefasst wird. Dabei wird aber dieser Begriff von mir recht weit ausgelegt, weil es sich hier doch eigentlich nur um das handelt, was mit den verschiedenen Formen der Aufarbeitung - oder auch der „Bewertung und Reaktion in der verschiedensten Art“ - unserer jüngsten Geschichte zu tun hat.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit der jüngsten deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wollte man hierfür methodisch und didaktisch ein „Wortfeld“ erarbeiten, so könnten u.a. folgende Verben alternativ zur Aktivität aufrufen: aufmerksam machen, eindringlich erinnern, einschärfen, ermahnen, aufrufen, aufrütteln, ins Gewissen reden, appellieren, auffordern, beschwören, beweisen ...

Fassen wir auch nach Jahrzehnten zusammen: Jegliche Form der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus ist eine spezielle Form des Mahnens und somit die Realisierung des Imperativs „Mahn mal“!! Insofern gilt das Wort des Philosophen und Dichters Santana: „ Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist verurteilt, sie immer wieder zu wiederholen.“

Mein Online-Artikel kann dieses Vergessen oder Negieren am Beispiel des Eifelortes Blumenthal und der erneuten Zerstörung des dortigen Mahnmals bestätigen. Der inzwischen dritte Anschlag muss uns betroffen machen!

Kampf gegen Vorurteile und Stolpersteine zum Erinnern – aber immer wieder Nazi-Schmierereien

In mehreren NEWS und Online-Artikeln wies ich in letzter Zeit auf die politischen Graffiti-Schmierereien hin und rechtsradikale Aktivitäten in der Eifel und Voreifel hin:

NEWS vom 4. März 2010: „Weiterhin Sorge wegen Rechtsextremismus und neonazistischer Aktionen auch in der Eifel und Voreifel“

NEWS vom 10. Dezember 2011: „Eifeler Bündnis gegen Rechts“– Eine sinnvolle Gründungsveranstaltung, aber mit einigen Fragezeichen

NEWS vom 29. September 2012: Politische Graffiti-Auseinandersetzung hinter dem Euskirchener Bahnhof

 

Auch meine Online-Artikel befassen sich mit folgender Thematik:


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Rechtsextremismus und Neonazismus in der Eifel und Voreifel

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Schändung des jüdischen Friedhofs von Euskirchen-Flamersheim – Anmerkungen und Fotodokumentation

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Euskirchener Bürgermeister und Stadtverwaltung waren schlecht über die Schändung des jüdischen Friedhofs informiert

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Unterstützung der Voreifeler Kommunen im Kampf gegen rassistische und politische Graffitis: Lobenswertes Angebot zur kostenlosen Entfernung derartiger Schmierereien

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Bewältigung der Vergangenheit: Ermutigung und Enttäuschung: Ein Zeitungsbericht der„Israel-Nachrichten“ über einen Vortrag von Hans-Dieter Arntz in Haifa

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Kritische Anmerkungen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ und des „Novemberpogroms“ in der Eifel und Voreifel 

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Formen der Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit in unserer Region

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MAHN-MAL (!)“: Ist der Begriff „Reichskristallnacht“ ein terminus technicus der „Erinnerungskultur“?

 

Aber die Nazischmierereien sind keineswegs weniger geworden und wurden somit auch neulich von der Antifa Euskirchen/Eifel  angeprangert. Der Rechtsradikalismus wird wieder deutlicher und provozierender!

Dass in diesem Zusammenhang nicht nur Hakenkreuz-Parolen auf einen Werbeanhänger in Flamersheim gesprayt wurden, sondern auch Türken diskriminiert wurden, beweist eine immer stärker werdende Aggressivität Ewiggestriger. Unter der Überschrift Nazischmierereien auf Werbeanhänger berichtete am 12. April der Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalteil Euskirchen, über die Hetzparolen und verfassungsfeindliche Symbole in einer dörflichen Umgebung.

 

Das Motto lautet

 

Wie befreiend wirkt da die interkulturelle Begegnung der Gesamtschule von Weilerswist mit Jugendlichen der Max-Rayne-Hand-in-Hand-School Jerusalem. Unter dem versöhnenden Motto „Vorurteile bekämpfen“ berichtete die Euskirchener Journalistin Heike Nickel im März 2013 über eine einwöchige Begegnung von13-15jährigen Schülern. Seit dem Jahre 2008 betreibt die Weilerswister Schule einen lebendigen Austausch mit israelischen Gleichaltrigen. Im Mittelpunkt der vielen Veranstaltungen stand auch diesmal der „interkulturelle Dialog“. Gerade auf diesem Gebiet ist die von 530 Schülern besuchte Schule in Jerusalem eine Ausnahme, zählt sie doch zu den nur 5 israelischen Lehranstalten, die „die ganze ethnische und religiöse Vielfalt des Landes, von Muslimen über Juden bis hin zu arabischen und armenischen Christen – unter einem Dach vereint.“
Während man immer noch in Rheinbach über die Verlegung von Stolpersteinen streitet, freute man sich in Gemünd auf die posthume Ehrung der jüdischen Mitbürger. Der Schleidener Wochenspiegel vom 20. März 2013 berichtete über die Vorbereitungen zur 800-Jahr-Feier in dem anerkannten Kneipp-Kurort. Die gebürtige Jüdin Hanna Miley (* 1932), Schirmherrin der Stolperstein-Aktion, meint in ihrem Grußwort: „ Sicherlich wird großer Segen einer solchen unmittelbaren Ehrlichkeit folgen.“

 

Im Juli/August 2013 gab es im Kreis Euskirchen unterschiedliche Beispiele dafür, wie man mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust umgeht:

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Zülpich

Der Kölner Stadt-Anzeiger (Euskirchen/Eifel extra) berichtete in seiner Wochenendausgabe vom 3./4. August 2013 über eine ganz spezielle Ahnenforschung und  besondere „Erinnerungen an jüdische Bürger“. Das  Stadtarchiv und zwei betagte Zülpicher Bürger haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Existenz der Juden in Zülpich mit ihren familiären Verbindungen, Berufen und Begebenheiten aufzuarbeiten. Schon jetzt hat sich herausgestellt, dass manche Lücken in der Gedenkstätte Yad Vashem geschlossen werden können. Insgesamt 928 jüdische Mitbürger konnten inzwischen aufgelistet werden. Planmäßig zum Beginn des nächsten Jahres sollen die Erkenntnisse in einem Buch veröffentlicht werden. Persönlich bin ich sogar selber an dem Ergebnis sehr interessiert, habe ich mich doch selber in mehreren Büchern mit den Juden von Zülpich und exemplarisch mit einer Familie befasst. Vgl. Auf den Spuren der jüdischen Familie Juhl aus Zülpich

Euskirchen und Umgebung

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Mit dem Motto Operation Last Chance. SPÄT, aber nicht.. Zu Spät wendet sich  das Wiesenthal-Zentrum in großen Städten  noch einmal an die Öffentlichkeit. „Die 60 letzten NS-Mörder“ werden noch gesucht. Die Medien fragen sich allerdings: Kann die Operation Last Chance Gerechtigkeit bringen oder ist sie eine geschmacklose Wichtigtuerei?   

In der Kreisstadt Euskirchen gibt es wohl heutzutage bei dieser Nazi-Hatz keine Probleme mehr, hatte doch die britische Militärpolizei bereits am 24. März 1946 den berüchtigten NS-Massenmörder Gustav Sorge in Flamersheim verhaftet und anschließend der sowjetischen Militärpolizei übergeben. Im Sachsenhausen-Prozess, der vom 23. Oktober bis zum 1. November 1947 stattfand, wurde er angeklagt, Verbrechen gemäß dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 begangen zu haben. Sorge wurde mit weiteren Beschuldigten, so August Höhn, Kurt Eccarius, Wilhelm Schubert, Fritz Ficker angeklagt, im Herbst 1941 mehr als 18.000 sowjetische Gefangene im KZ Sachsenhausen getötet zu haben.

Auch die Euskirchener Jusos wollen mit Plakaten Gemeinsam mehr Nazis stoppen . Im Schaufenster des SPD-Parteilokals am Entenpfuhl/Hochstraße kann man dasselbe Plakat sehen und wird per Internet-Adresse  zur zusätzlichen Information aufgerufen.

Gemünd

In meinen NEWS vom 12. August 2013 erwähne ich Hanna Miley geb. Zack, die mit einem Kranz für die Holocaustopfer und ihre eigenen jüdischen Verwandten aus der Eifel bildlich an die schreckliche Vergangenheit erinnern möchte. Nicht nur ihre Ansprache anlässlich der 800-Jahr-Feier von Gemünd, sondern auch der Titel ihres in englischer Sprache erschienenen Taschenbuches A Garland for Ashes: World War II, the Holocaust, and One Jewish Survivor's Long Journey to Forgiveness betont dieses Vorhaben. Die wohl etwas verspätete Verlegung der ersten Stolpersteine in Gemünd und das gefühlvolle Gedenken ließen die Ereignisse von 1992 doch endlich vergessen. Vgl. hierzu:  Wie es dennoch zu einem Wiedersehen mit den Juden von Schleiden und Gemünd kam (1992) – Hintergründe einer offenbar nicht gewünschten „Reunion“

Hellenthal/Blumenthal

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Am 31. Juli 2013 konstatierte der Kölner Stadt-Anzeiger unter der Überschrift „Wieder fliegen Steine gegen das Mahnmal“ zum dritten Male die Zerstörung des Synagogen-Mahnmals in Blumenthal. Die Kriminalpolizei befindet sich immer noch auf der Suche nach den Tätern und kann eine politische oder neofaschistische Tat keineswegs mehr ausschließen. Inzwischen drängen sich dennoch Fragen auf, ob es sich tatsächlich Ewiggestrige oder Neonazis handelt, oder ob das Mahnmal selber, das mit makabrer Phantasie von Weitem an ein Instrument der Französischen Revolution erinnert, als irreführende Provokation wirkt.

Merkwürdig ist die Tatsache, dass die deutlichen Risse im Glas des Mahnmals erst eine Woche später der Polizei und der rührigen Arbeitsgemeinschaft Judit.H. gemeldet wurde. Woher weiß man – und von wem und warum nun doch –, dass die Meldung schon sieben Tage vorher hätte möglich sein können? Es ist angeblich nachweisbar, dass die Tat in Blumenthal „sehr wohl bekannt war.“


Diesbezüglich meinte ich schon am 7. Juni 2009 im Hinblick auf dieses Mahnmal in Blumenthal:

Dass das „Guillotinen-Mahnmal“ schon vorher zum Nachdenken Anlass gab, formulierte ich in meinem Online-Artikel Kritische Anmerkungen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ und des „Novemberpogroms“ in der Eifel und Voreifel. Die Verantwortlichen in Hellenthal, denen eine Aktivität in Sachen „Demonstration des Nicht-Vergessens“ zugestanden werden muss, sollten sich jedoch nicht voreilig auf rechtsextreme Aktivitäten festlegen. Stattdessen gibt es noch zuviel aus der Zeit des Dritten Reiches aufzuarbeiten! Hinter vorgehaltener Hand wird bereits schon jetzt der Verdacht geäußert, dass das Einwerfen der Scheibe einen anderen Unwillen dokumentiert ...

Die Folge ist aber nun, dass es zurzeit Probleme mit der avisierten Verlegung einiger „Stolpersteine“ am 20. Oktober 2013 gibt. Mehrere Hausinhaber zogen nämlich ihre Genehmigung zur Verlegung zurück. Offensichtlich will man persönlichen Schäden zuvorkommen. Daher fordern die offenbar sehr aktiven Verantwortlichen, die Bevölkerung dazu zu motivieren, ihr Demokratie-Verständnis deutlich zu zeigen und „die Masse der Gutwilligen, also die Mehrheit der Menschen, dabei mitzunehmen.“

Der „Kommentar“ des KStA-Journalisten zur Debatte um das Synagogen-Mahnmal und die Stolpersteine lautet am 21. August: „ ... Dann wäre es sicher auch problemlos möglich, in den Orten ein paar Pflastersteine auszuwechseln, ohne das Beschmieren der Fassade befürchten zu müssen. Die Guten sind die Mehrheit, und sie sollten sich endlich dazu bekennen.“

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