NS-Reichsnährstand beurteilt Juden und „Arier“ im Altkreis Monschau (1935/36)

von Hans-Dieter Arntz
27.02.2008

Auch der „Reichsnährstand“ als Institution des Dritten Reiches hatte die damalige Situation der Juden zu beurteilen. Entsprechende Auszüge reflektieren das Niveau der Aussagen.

Nach der endgültigen Etablierung des Nationalsozialismus hatte im gesamten Deutschen Reich eine Umstrukturierung und „Gleichschaltung“ im Sinne der neuen Machthaber begonnen. In diesem Zusammenhang wurden auch sämtliche freiwillige Verbände der Landwirtschaft, mit dem „Reichslandbund“ an der Spitze, und die bisherigen Landwirtschaftskammern zwangsweise zusammengeschlossen. So entstand 1933/34 der „Reichsnährstand“.

Nach WIKIPEDIA war mit diesem Begriff eine gesellschaftliche Aufwertung des Bauerntums beabsichtigt, einerseits im Sinne der nationalsozialistischen Blut- und Bodenideologie, zum anderen wegen des Strebens nach Autarkie. Heutzutage erinnern sich die Bewohner der Eifel und Voreifel der teilweise eindrucksvollen  Umzüge zum Erntedankfest, von denen es eine Anzahl von Fotos gibt.

 

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Erntedankfest 1937 in Sinzenich (Copyright Herman-Josef Zimmermann)

 

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Erntedankfest 1935 in Euskirchen (Archiv: Hermann Vieth)

 

Der nationalsozialistische  „Reichsnährstand“ war für die Produktion, Verteilung und Preisgestaltung im Deutschen Reich zuständig. Wer sich aber mit der Erforschung des Judentums befasst, sollte wissen, dass er auch für die ideologische Erziehung und Überwachung der  so genannten Blutreinheit zuständig war. In den diesbezüglichen Aktenbeständen des Hauptstaatsarchivs in Düsseldorf lagern in diesem Bereich noch viele ungesichtete Unterlagen.

Im Rahmen  meiner Forschungen zum Thema „Juden in der Eifel“ fallen mir immer wieder Akten in die Hände, die ich in meine jeweiligen Vorträge ortsbezogen einbauen kann. So konnte ich vor einiger Zeit in Kalterherberg die zahlreichen Zuhörer - anlässlich meines Vortrages über die „Geschichte und das Schicksal der Juden in der Eifel“ - mit einer Akte konfrontieren, die der Reichsnährstand, Abteilung Monschau-Imgenbroich, in der Zeit 1935/36 erstellt hatte und sich heute im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Bestand RW 24-987, befindet.

So bedauerte zum Beispiel  der Kreisbauernführer N.N. der Kreisbauernschaft Monschau am „7. Brachet (Juni) 1935“  in der  der neuen NS- Monatsbezeichnung und unter dem Briefkopf „Blut und Boden“ schon damals:

Betr. Erhebungen über Juden- und Verordnungsblatt Nr. 17
Im Kreis Monschau ist nur 1 Jude ansässig und zwar in der Ortschaft Eicherscheid. Dies ist Leo Kaufmann, 45 Jahre, verheirat, 1 Kind. Derselbe betreibt Gast- und Landwirtschaft (10-15 Morgen) und seit jeher Viehhandel. Die Art seiner Handelstätigkeit ist seit jeher verrufen gewesen.

Offenbar muss diese Feststellung für den Kreisbauernführer von Monschau-Imgenbroich sehr frustrierend gewesen sein, zumal die Kollegen aus der benachbarten Voreifel detaillierte und umfangreiche Gutachten an das Verwaltungsamt Rheinland, Bonn, Endenicher Straße 60, schicken konnten. Er konnte nur eine einzige jüdische Familie im Kreisgebiet Monschau beobachten. So konzentrierte sich Albert (…) am 14. Januar 1936 stattdessen auf die Beurteilung der „arischen“ Bevölkerung – zum Beispiel aus den Dörfern Strauch, Eicherscheid und Kalterherberg (HStAD RW 24-1001-1004), was für die heutige Bevölkerung belustigend sein muss:

 
An
die Landesbauernschaft Rheinland
Bericht des Reichsnährstandes
Monschau- Imgenbroich
                          

14.01.1936

Kreisbauernschaft
Monschau-Imgenbroich

Betr.>  Erfassung der Dorfbevölkerung

Wir haben in unserem Kreis 2 Dörfer, in denen sich die Bevölkerung ziemlich vor Vermischung rein erhalten hat und zwar Strauch und Kalterherberg.

Im ersteren finden wir einen echten Bauerntyp, wie auch das Dorf ein reines Bauerndorf ist; im zweiten einen für unsere Gegend auffälligen Typus mit ziemlich dunkler Hautfarbe. Es geht die Erzählung, dass die Bevölkerung von Kalterherberg ein Überbleibsel der Hunnenzüge sei. Die Schädelbildung würde die Ansicht berechtigen, und ich glaube, dass es die obige Tatsache wert wäre, einmal eingehend geprüft zu werden.

Außer obigen beiden Dörfern haben wir noch eines, EICHERSCHEID, das durch seine Bevölke­rung stark aus dem allgemeinen Rahmen herausfällt. Durch dauernde Heiraten in nahen Ver­wandtschaftgraden, - um immer nur das Vermögen zu erhalten, wie man sagt -, ist ein Men­schenschlag herangewachsen, der weit unter dem Durchschnitt unangesehen dasteht, wenigs­tens in körperlicher Hinsicht. Am letzten Sonntag hatte ich anlässlich eines Dorfabends Gele­genheit, diese Tatsache ganz einwandfrei festzustellen. Man sagt immer, dass in ganz Eicher-scheid nicht ein einziges nettes Mädel sei, und ich glaube, man ist damit nicht zu weit gegangen.

Die Bevölkerung der übrigen Ortschaften hat keine besondere Eigenarten, ist unter sich über­durchschnittlich jedoch stark vermischt.

Heil Hitler!

Albert (…)

Die Bevölkerung der übrigen Ortschaften hat keine besondere Eigenarten, ist  unter sich  überdurchschnittlich jedoch stark vermischt.

Heil Hitler!

Albert (…)

 

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